Geringe Handelsmargen, aber hohe Gewinnspannen im Umrüstungsgeschäft: LED-Projekte sind lukrativ. Die IT-Distribution will diesen Zukunftsmarkt nicht allein dem Elektrohandel überlassen.
Mit zwei Vorzeigeprojekten hat der Münchner Konzern Osram ein großes mediales Interesse auf sich und die Lichttechnologie der Zukunft gelenkt: 7.000 LEDs werden die Sixtinische Kapelle im Vatikan voraussichtlich noch in diesem Jahr energiesparend ausleuchten. Im Münchner Lehnbachhaus hat der Lichtkünstler Dietmar Tanterl bereits zur Neueröffnung vor einem Jahr LED-Technik installiert, ja geradezu inszeniert und neben den Einsparungen bei Stromkosten vor allem die ästhetisch vielfältigen Möglichkeiten von moderner LED-Technologie demonstriert.
Regelbar sind Farben und Helligkeit, eine indirekte wie punktuelle Ausleuchtung passt hervorragend zu den Exponaten der experimentierfreudigen Expressionisten Anfang des 20. Jahrhunderts um Wassily Kandinsky, Franz Marc oder August Macke. Dafür ließen sich der Bund und der Förderverein des Museums nicht lumpen: Vier Millionen Euro kostete das Projekt oder besser gesagt: die Illumination des Musentempels.
Prestige-Projekt: Die Sixtinische Kapelle in Rom wird Osram mit LEDs bestücken (Foto: Osram)
Künstlerisch wenig glanzvoll, aber dafür ökonomisch umso lukrativer läuft das LED-Projektgeschäft beim Elektrohandwerk und zunehmend auch bei aufgeweckten Systemhäusern im IT-Channel. Sie haben es mit Betreibern von Tennishallen oder Parkhäusern, mit Logistikern, Hotelketten oder Industriebetrieben zu tun. Überall, wo viele klassische Lichtquellen im Einsatz sind und viel Energie verbrauchen, ist Potenzial für die LED-Umrüstung vorhanden.
60 Prozent weniger Stromkosten und damit eine Ersparnis von 28.500 Euro jährlich lautet die Beispielrechnung der Firma Ecobility für eine Tennishalle. In weniger als drei Jahren seien die Anschaffungskosten amortisiert. »Die Hälfte der Kunden entscheidet sich bei dieser Rechnung für eine Umrüstung auf LED. Sind es zwei Jahre, erteilen zwei von drei Kunden einen Auftrag, bei einer Amortisierung von einem Jahr steigt die Bereitschaft zum Wechsel auf LED-Beleuchtung auf 90 Prozent«, sagt Günter Schiessl, Gründer von Ecobility und nun Director Lighting bei Ingram Micro.
Ingram Micro prescht vor
Der Channel kennt Schiessl noch gut als Geschäftsführer bei Tech Data. Mitte 2010 schied er aus und gründete zusammen mit Ex-Cancom-Vorstand Paul Holdschik (mittlerweile wieder bei Cancom) und Jochen Tschunke den LED-Spezialisten Ecobility.
Mit der Vision, die alle drei in den 80er- und 90er Jahren ja schon einmal im damals noch jungen PC-Geschäft geträumt und verwirklicht hatten: Nun also soll Ecobility zu einer Computer 2000 der Energiesparbranche werden.
Schiessl soll aber – anders als damals – nicht Tech Data zu einem glanzvollen Einstieg in ein neues wachstumsstarkes Business verhelfen, sondern für den Konkurrenten Ingram Micro eine Zukunftstechnologie erschließen. Seine Firma Ecobility ist mittlerweile die tragende Säule von Ingrams Sparte »New Energy«. Schiessl soll das LED-Projektgeschäft beim Münchner Broadliner ausbauen und den IT-Channel dafür begeistern (CRN-Interview mit Günter Schiessl).
Endkundenerfahrung und Lehrgeld im durchaus komplexen LED-Vertriebskanal hat der Manager bei seiner eigenen Firma gesammelt und bezahlt. Geplant ist, dass Ecobility in Ingram Micro aufgeht und das LED-Umrüstgeschäft künftig ausschließlich über die Fachhandelsklientel des Broadliners abgewickelt wird.
LED ist heute schon ein weltweiter Milliarden-Markt mit einem weltweiten Volumen von über 70 Milliarden Euro. Laut einer Studie von McKinsey soll der LED-Markt bis 2020 auf über 100 Milliarden Euro wachsen. 80 Prozent des Geschäfts wird dabei auf LED für Raum- und Gebäudebeleuchtung entfallen, den Rest teilen sich Hersteller auf, die LED-Leuchtmittel für Kraftfahrzeuge und Display-Hintergrundbeleuchtung entwickeln.
Von den 83 Milliarden Euro, die McKinsey für den LED-Leuchtmittelmarkt veranschlagt, werden knapp 40 Prozent von privaten Haushalten getragen, 60 Prozent der LED-Ausgaben entfallen der Studie zufolge auf Büros, Einzelhandelsläden, öffentliche Gebäude und Straßenbeleuchtung sowie auf Industrie-Immobilien. Vor allem die Umrüstung klassischer Lichtquellen auf LED wird in den nächsten Jahren massiv voranschreiten. Hohe Stromkosten und weiter steigende Energiepreise werden Gewerbekunden zu einem Umdenken bewegen. Das gesetzliche Verbot der letzten Glühlampen wird dem heute schon boomenden LED-Markt für Verbraucher nochmals einen Schub geben.
Die Frage ist: Wer hat heute schon den Kontakt zu Kunden, wer das Know-how für Beratung und Planung sowie personelle Kapazitäten für die Installationen im größeren Stil? Und welcher Distributor nutzt jetzt seine gewachsenen Beziehungen zu Herstellerpartnern wie LG, Toshiba, Samsung oder anderen Playern aus dem IT-Umfeld für eine Sortimentserweiterung um LED.
IT-Distis gegen Elektrogroßhandel
Neben Ingram Micro sind das derzeit vor allem Distis wie Siewert&Kau, Delo Computer oder der vor drei Jahren gegründete und zur Wortmann-Gruppe gehörende Speicherkomponenten-Spezialist BAB Distribution, der erst vor acht Wochen den Start der Sparte BAB-Lighting bekannt gab und mit Toshiba den ersten Herstellervertrag unterzeichnete.
Die klassische IT-Distribution jedenfalls will dieses Milliarden-Geschäft nicht dem Elektrogroßhandel überlassen. Zumal dieser Channel – anders als die IT-Distribution – traditionell mit Industriekunden direkt Geschäfte abwickelt. Sonepar, Hagemeyer, aber auch Spezialisten wie beispielsweise Lampen-Distributor Hans Raum aus Nürnberg beliefern sowohl den Elektrofachhandel als auch deren Kunden. Solche in dieser Branche üblichen Vertriebswege kommen für IT-Distributoren nicht in Frage.
Programmierte Channelkonflikte müssen IT-Distributoren aus dem Wege gehen, wollen sie den LED-Markt für den IT-Kanal erschließen. »Wir werden Leads bei Ecobility an Reseller von Ingram Micro weiterreichen«, beteuert Schiessl. Nur ein kleiner Rest von Kunden, mit denen der IT-Channel sowieso nicht im Geschäft steht, wie Betreiber von Tennisanlagen, wird Schiessls Ecobility noch für eine geraume Zeit bereuen, sagt der Manager im Gespräch mit CRN.
Für Ingram Micro rechnet sich die junge Sparte »New Energy« nicht nur deshalb, weil sich ihre klassische Klientel der IT-Reseller mit Hilfe von Schiessls Team zu Lichtprojektierern entwickeln können und dem Broadliner zusätzliches Geschäft einbringen. Auch für Elektrofachhändler, die heute schon im geringen Umfang IT-Produkte über Ingram Micro beziehen, öffnet sich mit der New Energy-Sparte der Münchner eine neue Bezugsquelle und Alternative zu Grossisten aus dem Elektrohandel.
»Mit einem Kunden aus dem Elektro-Installationsumfeld haben wir gerade einen Auftrag über 1,5 Millionen Euro abgeschlossen. Der hatte bei Ingram Micro ein Kreditlimit von gerade einmal 5.000 Euro«, erläutert Schiessl.
Die nächsten Bausteine für das junge Themenfeld LED, wo derzeit noch Kostensenkungen im Vordergrund stehen, hat man bei Ingram Micro bereits im Auge.
Energieerzeugung für den Eigenverbrauch und Stromspeicherung sind die kommenden Aufgaben, die ebenfalls Wachstum versprechen. Auf der Intersolar in München (4. bis 6. Juni) – der weltweit größten Messe für die Photovoltaik-Branche – dürfte Schiessl und so manch anderer Manager aus der IT-Distribution seine Fühler ausstrecken. Mit Eigenverbrauch und Stromspeicher-Technologien hofft die gebeutelte PV-Industrie aus dem Pionierland Deutschland auf neue Perspektiven.